von: Anarchists4Palestine (A4P)
(Antworten übersetzt von englisch zu deutsch)
A4P: Laut Instagram ist euer erstes Posting vom 12. Februar 2024. Habt ihr euch da gegründet? Und warum habt ihr FCSP Falastin gegründet?
FCSP: Wir haben die Gruppe im Februar 2024 gegründet, das ist richtig. Sie entstand vor allem aus Enttäuschung über das Schweigen des Vereins zu den Ereignissen im Nahen Osten, aber vor allem wegen des völligen Mangels an sichtbarer Palästina-Solidarität unter den St.Pauli-Fans. Wir wussten, dass es diese Solidarität gab und dass einzelne Fans solche Ansichten äußerten, aber wir konnten keinen „Anknüpfungspunkt” oder Bereich finden, in dem diese Art des Ausdrucks existierte. Also mussten wir es einfach selbst in die Hand nehmen.
A4P: Für nicht so in der Fanszene bewanderte Leute: Begreift ihr euch als Ultras? Was ist euer Verhältnis zu USP (Ultra Sankt Pauli)?
FCSP: Das ist eine schwierige Frage… Früher waren wir auf jeden Fall stolz auf die Ultras am Millerntor. Und jetzt? Nicht mehr so sehr. Wir haben keine Beziehung zu USP und waren besonders verärgert über ihre gegen Celtic-Fans gerichteten Transpis/Parolen – die wir hier nicht wiedergeben möchten.
A4P: In welcher Kurve seid ihr anzutreffen und wie ist euer Verhältnis zu anderen Fangruppen dort?
FCSP: Leider haben wir, abgesehen von der Tatsache, dass wir Mitglieder des Clubs sind, keine feste Präsenz im Stadion. Mit anderen Worten: Unser Platz variiert von Spiel zu Spiel. Wir empfehlen jedoch den Kiezkicker-Anhänger:innen, die unsere Ansichten teilen, sich in der Gegengerade (Ost-Tribüne) zu versammeln, weil es da sehr viel weniger wahrscheinlich ist, dass es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit anderen Anhänger:innen kommen könnte, die bei diesem Thema nicht derselben Ansicht wie wir sind.
A4P: Was ist eure Meinung zu den damaligen Provokationen pro-zionistischer St. Pauli Ultras gegen die Celtic Glasgow Fans? (Ab Ende letzten Jahres hatten ja in der Folge einige internationale Fan-Gruppen ihre Freundschaft mit FC St.Pauli eingestellt und sogar ein internationales Statement gegen St.Pauli veröffentlicht…)
FCSP: Wir haben es bereits angedeutet, aber wir werden es noch ein wenig weiter ausführen; wir sind bestürzt, enttäuscht und nicht nur ein wenig angewidert von den Handlungen und Worten bestimmter zionistischer Elemente innerhalb der Unterstützer:innen-Szene des FC St. Pauli. Diese waren am offensichtlichsten in der USP-Gruppe, aber es ist unklar, inwieweit die antipalästinensische, anti-Celtic Voreingenommenheit von den Ultras als Ganzes geteilt wird. Es ist frustrierend, aber es gibt keine Studie, keine Umfrage, nicht einmal eine Demonstration, auf die man zeigen und sagen könnte: „Seht her! Die Zionisten kontrollieren die ganze Szene!” Es ist wie bei einem Rorschach-Test: Die Leute sehen, was sie sehen wollen. Sicherlich sind der Verein und seine Fans nicht mehr oder weniger zionistisch als jeder andere in Deutschland… aber das ist die unterste Kante, die man sich vorstellen kann, und weit niedriger als die Standards, die der FC St.Pauli für sich selbst gesetzt hat, wenn es darum geht, Ungerechtigkeiten anzusprechen, von Sexismus über Homophobie bis hin zu, ja, Antisemitismus. Was die internationalen Fangruppen betrifft, so sind wir mit ihnen absolut solidarisch. Natürlich ist es nicht der Weg, den wir eingeschlagen haben oder einschlagen würden, den Verein zu schließen oder zu verlassen – es sei denn, der Verein würde etwas explizit Zionistisches tun – aber wir respektieren und verstehen, warum sie das Gefühl hatten, dass dies ein letzter Tropfen eines überlaufenden Fasses für sie war. Das Problem mit dem Abbruch der Verbindungen ist, dass man damit die Möglichkeit, die Meinung der Fans zu beeinflussen, völlig verloren hat. Im Grunde genommen haben wir immer noch die Hoffnung, dass Stimmen wie die unsere innerhalb der Fanszene einen Einfluss haben und, auch wenn es Zeit braucht, die Haltung des Vereins und der Fans verändern können.
A4P: Beschreibt mal ein bisschen was ihr so im Stadion macht. Gibt es von euch auch Choreographie?
FCSP: Abgesehen davon, dass wir unsere Solidarität mit Palästina auf unseren Ärmeln tragen – im wahrsten Sinne des Wortes, in dem Fall von einem von uns – sind wir noch nicht darüber hinausgegangen. Aufkleber, natürlich… aber noch keine Choreo. Bleibt gespannt.
A4P: Viele St. Pauli Fans sind in Hamburg ja auch bei verschiedenen Initiativen und Protesten präsent. Wie steht’s mit euch? Seid ihr als FCSP 4 Falastin auch über das Stadion hinaus aktiv, und was macht ihr so?
FCSP: Vor der Gründung des FCSP 4 Falastin waren wir bei zahlreichen Demonstrationen und Kampagnen aktiv, aber in der Zeit danach haben wir uns wirklich auf dieses Thema konzentriert, auf Kosten fast aller anderen. Die große Ausnahme, die einem dazu einfällt, waren bzw. sind die Demos und Initiativen gegen die AfD und die Rechtsextremen.
A4P: Seid ihr auch bei Auswärtsspielen anzutreffen?
FCSP: Leider waren wir bisher noch nicht in der Lage, ein Auswärtsspiel zu besuchen.
A4P: Wenn St. Pauli Fans aus anderen Städten nach Hamburg zu den Spielen fahren und sich zu euch gesellen wollen… wo kann mensch euch treffen und/oder wie kann mensch euch vorab kontaktieren?
FCSP: Der beste Weg, uns zu kontaktieren, ist über unsere Instagram-DMs. Obwohl unsere geistige Heimat natürlich die Reeperbahn ist, sind wir in Berlin beheimatet – die Hauptstadt des Völkermords, wie jemand anderes es nannte – und fahren so oft wie möglich ans Millerntor. Also auch wenn du als Sankt Pauli-Fan nicht in Hamburg wohnst, könnt ihr euch dennoch mit uns zu einem Auswärtsspiel treffen!
A4P: Gibt es noch etwas, was ihr unseren Leser*innen sagen wollt?
FCSP: Abschließend möchten wir allen sagen, denen es schwer fällt, das scheinbar endlose Grauen zu ertragen… Bleibt zuversichtlich. Wir wissen, dass es schwer zu ertragen ist, die steigende Zahl der Toten und Verstümmelten zu sehen, das Gefühl der Hilflosigkeit angesichts der ethnischen Säuberung zu bekämpfen… aber bitte, bleibt standhaft. Die Bevölkerung von Palästina braucht jede einzelne Stimme, die sich erhebt. Wir wissen, dass wir nicht genug tun – wir tun nur unser Bestes. Das ist genau so viel, wie wir von allen anderen verlangen können.
A4P: Vielen Dank für das Interview, wir wünschen euch viel Power! VIVA SANKT PAULI FALASTIN!